На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера - читать онлайн книгу. Автор: Генрих Август Фон Фосслер cтр.№ 99

читать книги онлайн бесплатно
 
 

Онлайн книга - На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера | Автор книги - Генрих Август Фон Фосслер

Cтраница 99
читать онлайн книги бесплатно

Brodes und ein paar Zwiebel zu verschaffen. Unsere Kleidung war zerrissen, // S. 148// die Wäsche nicht minder; beide besserten wir selbst aus, und das Weißzeug wuschen wir in den Rastlagern selbst. Die Einwohner zeigten überall ihren Haß gegen uns, und stellten oft dem Leben Einzelner nach. In Rohaczew wären wir ohne die Dazwischenkunft unserer Bedeckung von den jüdischen Einwohnern ermordet worden. Zu Dobrianka drohte uns das Gleiche, und nur der festen Entschlossenheit des Transport-Commandanten, der auf die versammelten Bauern zu feuern drohte, dankten wir unser Leben. Es gewährte uns deswegen keine geringe Freude, als wir die Thürme von Czernigow erblickten, wo wir eine ruhigere und friedlichere Existenz zu finden hofften.

Das Land von Minsk an ist meistens schlecht. Grose Strecken sind von Wald und Sumpf bedeckt. Die Dörfer sind ärmlich, die Bewohner arm. Die Städte sind gröstentheils schlecht gebaut, und nur in einigen wenigen trifft man bessere Gebäude, meistens Kirchen und Klöster, selten Privat- Wohnungen. Die Edelsitze sind seltener, nicht mehr jedes Dorf, wie in Pohlen, hat seinen eigenen Edelmann; die Häuser sind bis an die altrussiche Gränze meistens unreinlich, und Ein und dasselbe Gemach dient Menschen und Vieh zum Aufenthalt. In den ehemals polnischen Städtchen und Dörfern giebt es Juden in groser Menge, sie sind aber reinlicher, als an der // S. 149// Weichsel. Das grose wohl bevölkerte Dorf Dobrianka, das erste Ort in AltRußland, bildet einen gewaltigen Gegensatz mit den Orten, deren Bewohner der polnischen Nation angehören. Dort sind die Häuser, obgleich ebenfalls von aufeinander liegenden Balken zusammengefügt, doch geräumiger, bequemer, reinlicher. Die Fenster-Oeffnungen sind mit Glasscheiben versehen, ein ordentlicher Ofen wärmt die Stube, Tische und Bänke sind besser gearbeitet, rein gescheuert, den Fußboden deckt nicht veralteter Koth, er ist vielmehr sauber gefegt, und mit Sand bestreut. Die Lagerstätte findet sich in einem abgesonderten Gemach. In der vorderen Ecke hängt ein Heiligenbild, dem der Bewohner beim Aus- und Eingehen jedesmal seine Ehrfurcht bezeugt. Dem Hausvieh ist zu seinem Aufenthalte ein Stall angewiesen, und nirgends ist auch nur ein Stück Geflügel in einer Stube zu treffen. Der Eingang in das Wohngemach führt durch einen Vorplatz, in dem die Küche sich befindet. Der Hausherr trägt einen langen Bart, seine Kleidung besteht aus einem bis an die Knie reichenden Ueberrock, ohne Knöpfe, durch eine Binde um den Leib zusammengehalten, die Hosen sind weit, die Füsse sind mit Juchtenstiefeln196 bekleidet. Die Hausfrau hat den Kopf mit einem bunten, oder auch weissen Tuche umwickelt, sie trägt einen ihr gut stehenden Kittel, der das einzige Widrige // S. 150// hat, daß die Brüste unter dem Gürtel herabgebunden sind. Der Rock ist von Wolle, weiss, grau oder blau, die Schuhe sind von Juchtenleder. Die Kinder sind in wollene Ueberröckchen gekleidet, und haben ebenfalls eine Fußbedeckung. Bey allen ist die Kleidung reinlich gehalten. Die Art ihrer Kost ist mir nicht bekannt, denn in unserer Gegenwart assen die Leute nicht. In den meisten Häusern waren wir ein Greuel, und beinahe überall wurden die Heiligenbilder bey unserer Ankunft sogleich aus dem Wohngemache entfernt. Die übrigen Orte, durch die wir von hier an bis Czernigow zogen, gleichen übrigens dem Dorfe Dobrianka an Wohlhabenheit keineswegs, doch wird man überall mit Freuden gewahr, daß der Russe mehr auf Reinlichkeit hält, als sein polnischer Nachbar. Das Aussehen des Landes ist dagegen von Pohlen wenig verschieden.

In dem Dörfchen bey Czernigow waren unsere Quartiere höchst elend, und unsere Nahrung war möglichst kärglich. Den Tag brachten wir meistens in der Stadt zu, aber vor Einbruch der Nacht kehrten wir jedesmal heim. Die langen Abende langweilten uns sehr, und bey den offenbar feindseligen Gesinnungen der Dorfbewohner gegen uns, wagten wir nicht, Nachts die Häuser zu verlassen. Die Bewohner kamen öfters in Mehrzahl in unseren Stuben zusammen, und verhandelten mit // S. 151// grosem Eifer meistens Gegenstände, von denen wir nicht die entfernteste Muthmassung hatten, aber wir sahen auch einmal ein Familienfest feyern, bey dem der Branntwein in Menge floß, und das sich endlich mit völliger Betrunkenheit der Theilnehmer schloß. Ein anderesmal machte sich die Jugend des Dorfes den Spaß, sich wunderlich zu masquiren, und so von Haus zu Haus zu ziehen. In meinem Quartier hatte auch eine Brautwerbung statt, bey der die jungen Leute sich ziemlich passiv und ruhig verhielten, die Eltern aber desto lebhafter waren, und die Scene zuletzt mit tüchtigen Handschlägen endeten. Eines Morgens mit Tagesanbruch, es war am 10. Nov[em]b[e]r erschienen in dem Quartier, das ich mit dem Hauptmann v[on] Butsch theilte, mehrere betrunkene, mit Prügeln bewaffnete Bauern, die uns von unserem Strohlager aufstörten, und unter wohlverständlichen Gesticulationen uns zu erkennen gaben, daß sie uns los werden wollen, und wir von dannen ziehen möchten, soferne uns Leib und Leben lieb sey. In allen anderen Quartieren wurde von den Dorfbewohnern um dieselbe Tageszeit und auf die gleiche Art der nemliche Wunsch ausgedrückt. Wir begaben uns daher sogleich in Masse nach Czernigow, und führten Klage bey dem Gouverneur, dem Commandanten, dem Platzhauptmann, dem Polizeymeister, aber überall vergeblich. Des Hin- und Herschickens müde kehrten wir endlich Abends in unser Dorfchen zurück, und bedeuteten den Bauern, daß wir sie den andern Morgen // S. 152// für immer verlassen werden. Hierüber vergnügt liessen sie uns die Nacht über in Ruhe, und am Morgen friedlich nach der Stadt abziehen.

Sechstes Capitel.

In Czernigow mietheten wir nun, da man uns keine freien Quartiere geben wollte, solche für unser Geld. Ich fand mit dem Hauptmann v[on] Butsch und dem Kriegs-Commissär Krais bey einem Schuster ein heitzbares Zimmer, das mit Einschluß des nöthigen Holzes zum Heitzen und Kochen täglich unser hälftiges Einkommen aufzehrte. Hier richteten wir uns möglichst bequem ein, d. h. wir versahen unsere Liegerstatt mit Heu, kauften jeder ein Trinkglas, und zusammen ein eisernes Casserol , eine kupferne Caffeekanne, blecherne Löffel, jeder 1. Messer, und 1. hölzerne Eßschüssel. Zur Bedienung nahmen wir 2. württemberg'sche Soldaten zu uns, die sonst zu Grunde gegangen wären, und nun doch freye Kost hatten.

Wir brachten in Czernigow 10. Wochen, vom 11. Nov[ember] 1813. bis 19. Jan[ua]r 1814. zu. Mehrere Landsleute, der Regiments-Arzt Pommer, der Kriegs-Commissär Keller, der Kurier Lang, der Unterarzt Bopp, nahmen uns mit Freuden auf. Sieben Werste von der Stadt wohnte ein weiterer Landsmann, der Unterarzt Mautz, auf einem Edelsitze bey einer begüterten // S. 153// rüstigen Wittwe, deren Arzt und Geheimer Rath er war. Unsere nur gedachten Landsleute lebten schon längere Zeit in Czernigow. Die zwey ersteren wohnten im grosen Spital bey einem deutschen Apotheker, und hatten alle Ursache, mit ihrer Lage zufrieden zu seyn. Der vierte, Bopp, practicirte als Arzt, und verschaffte sich dadurch eine weit bessere Existenz, als uns anderen Nichtärzten zu Theil ward. Alle früheren Ankömmlinge aber wetteiferten mit einander in Gefälligkeiten gegen uns. Sie machten uns mit den örtlichen Verhältnissen bekannt, und söhnten uns, so weit es möglich war, mit unserm Schicksale aus. Die Württemberger kamen regelmäsig alle Tage zusammen, theils in den Wohnungen der Einzelnen, theils in einem öffentlichen Wirthshause, von dem ich später noch zu reden Gelegenheit haben werde. Die Gespräche drehten sich meistens um unsere Aussichten zur baldigen Rückkehr ins Vaterland. Dieß war der erste und ein stehender Artikel. Der nächstfolgende, und für den Augenblick nicht minder wichtige, betraf unsere Subsistenz, und wenn der erstere immer freudige Gefühle erweckte, und den Niedergeschlagenen erheiterte, so trübte der andere die Unterhaltung immer mehr oder weniger. Einige Bayern vergröserten unsern Cirkel, und belebten ihn öfters. Mit Franzosen hatten wir wenig Umgang, und wir // S. 154// wurden sichtlich von ihnen gemieden, sobald der Abfall Württembergs von Frankreich bekannt geworden war. Doch besuchte ich öfters den Stallmeister Baron de Montaran, der durch Geldsendungen von Petersburg aus in eine behaglichere Lage versetzt war, und seine Geldmittel zuweilen dazu verwandte, dem Lieutenant Pechin, der noch für einige Zeit in Czernigow bleiben durfte, und mir ein gutes Mahl vorzusetzen. Zu Hause, wo wir die Vormittage meistens zubrachten, beschäftigten wir uns mit verschiedenen Dingen. Das erste Geschäft nach dem Erwachen war eine sorgfältige Durchsuchung unseres Leibweißzeuges nach dem Ungeziefer, das wir vom Transporte mitgebracht hatten, und mit aller Mühe nicht gänzlich auszurotten im Stande waren. Nach dem Frühstück, das in leichtem Caffee mit gutem Weisbrode bestand, wurden die Kleidungsstücke ausgebessert, die Wäsche geflickt, und den übrigen Theil des Vormittags brachten wir meistens mit Lesen deutscher Bücher hin, die uns Mautz aus der Bibliothek seiner Dame verschaffte. Um 12. Uhr ward Mittag gehalten. Ein Stück Rindfleisch zusammen mit Kartoffeln und gelben Rüben in Einem Topfe gekocht, bildete die frugale Mahlzeit Tag für Tag, so lange unser Aufenthalt in Czernigow währte. Gleichwohl fehlte es uns nie an Anpetit , und die einfache Kost entleidete uns nicht, denn sie kam nie im Ueberfluß auf den Tisch. // S. 155// Das Getränke bestand aus 1. Kruge Quass , aus zerrissener Gerste, und Wasser mit Sauerteig bereitet. Nachmittags wurden Besuche gegeben und empfangen, Spatziergänge in der Stadt und der nächsten Umgebung gemacht, und mit Einbruch der Nacht trafen wir uns regelmäsig in einem bestimmten Wirthshause, wo wir ein Stück Brod, hin und da ein paar Eyer, und ein Glas warmen Thee mit Branntwein genoßen. Um 8. Uhr begaben wir uns nach Hause und zur Nachruhe. — Mit meiner Gesundheit gieng es während meines ganzen hiesigen Aufenthalts recht erträglich, und wenn ich gleich öfters an Magenschmerzen litt, so waren sie doch gewöhnlich nur gering. Beschwerlicher als diese war mir der Stuhlgang, den ich den ganzen Winter über regelmäsig um Mitternacht unter freyem Himmel verrichten mußte.

Вернуться к просмотру книги Перейти к Оглавлению