На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера - читать онлайн книгу. Автор: Генрих Август Фон Фосслер cтр.№ 84

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Онлайн книга - На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера | Автор книги - Генрих Август Фон Фосслер

Cтраница 84
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Schon seit mehreren Tagen hatte mich das Pferd nicht mehr zu tragen vermocht. Nun war ich des besten Schutzmittels gegen die Kälte, meines Mantels beraubt. In Bobr erhielt ich zwar von einem württembergischen Officier, der mich nicht kannte, auf mein ehrliches Gesicht ein Anlehen von 2. Ducaten, und nachher noch 6. Ducaten aus der württembergischen Kriegs-Casse, allein das Geld schüzte weder gegen Frost noch Hunger. Am 24.ten ward mir der wunderliche, und unter damaligen Umständen ganz unausführbare Auftrag, die einzeln ziehenden Jäger des Regiments zu sammeln, und zusammen zu halten. Wohl glückte es mir, der ich zu Fuße war, manchen Jäger meinem Rufe folgen zu machen, so lange es Tag war, aber Abends, wenn das Nachtlager aufgeschlagen werden sollte, und ich selbst an allem Mangel leidend, keinem einen Bissen Brod, noch sonst // S. 68// etwas bieten konnte, zerstoben sie nach allen Richtungen. Ob ich gleich wußte, daß mir am andern Tage, wenn mir etwa der Major begegnete, ein Verweis von ihm bevorstand, so konnte und wollte ich dennoch nicht einmal einen Versuch machen, durch Befehl die Hungrigen bey mir zu halten. Vom 24.ten auf den 25.ten übernachtete ich in einem Heuschober, in den ich mich zum Schutz gegen die Kälte tief hineingrub. Die folgende Nacht brachte ich im Walde auf dem bloßen Schnee, ohne Feuer, zu, und wenn ich mich nicht von Zeit zu Zeit aufgerafft hätte, um mich durch Hin- und Herlaufen wieder etwas zu erwärmen, so wäre ich unfehlbar ein Opfer des Frostes geworden. Tags darauf wollte mir aber das Glück so wohl, daß ich einen mit 2. Schaaf-Pelzen versehenen Franzosen traf, der mir einen davon für 3. Ducaten abtrat; dieser glückliche Zufall gab mir neue Kräfte, und rascher setzte ich meinen Weg fort. Das Glück wollte mir am nächsten Tage noch besser, denn als ich mich einem Dörfchen näherte, begegnete mir ein württembergischer Officier, der mich mit der unschätzbaren Nachricht erfreute, daß dort mein Bedienter mit 2. guten Pferden und meiner Bagage so eben angekommen sey und nach mir frage. Eilenden Schrittes begab ich mich dahin, und fand es, wie der Officier gesagt hatte. Eine grösere Freude, als hier, habe ich in meinem Leben wohl nie empfunden. Nun war ich wieder gut gekleidet, und gut beritten, ich fürchtete die Kälte nicht mehr. Sogleich setzte ich mich in Marsch, obgleich hungrig, doch wieder erwärmt, und Abends // S. 69// suchte ich ein Nachtlager in einem Dorfe, wo ich in einem Hause beysammen einen Unter-Officier und etwa 15. Jäger meines Regiments traf, die gut beritten, wohl bewaffnet, bis dahin eine Seitenstraße gezogen, und nun wieder auf die Hauptstraße gestoßen waren. Sie hatten Ueberfluß an Schweinsfleisch und Honig, und ich war ihnen ein geehrter Gast. Nicht lange ließ ich mir zusprechen, hastig griff ich nach dem dargebotenen Fleisch, stillte den — seit beinahe 4. Wochen nicht mehr völlig gestillten Hunger gänzlich. Hier an diesem Abend zog ich mir durch den unvorsichtigen Genuß des Schweinsfleisches und nachher von kaltem Wasser, einen Durchfall zu, der mich erst nach 5/4. Jahren wieder ganz verließ. Wohl wäre es mir besser gewesen, Hunger zu leiden, und wohl sah ich voraus, daß ich mir Schaden thun werde, allein so schlimme Folgen befürchtete ich doch nicht, und ich bin nicht gewiß, ob mich, wenn ich sie voraus, ja, wenn ich gewußt hätte, daß es mir unmittelbar den Tod bringe, ob mich dieß, sage ich, abgehalten haben würde, mich wieder einmal satt zu essen, so sehr war ich ausgehungert. Am folgenden Tag gelangte ich mit meinen Jägern in das Dörfchen nahe an der Beresina, von wo wir den nächsten Morgen über die Brücke zu gehen gedachten. — Beym Abmarsch von Smolensk war ich nur auf 1. Tag mit Lebensmitteln, d[as] h[eißt] mit etwas Mehl versehen, schon am folgenden Tag war ich genöthigt, Pferdefleisch zu speisen, und wenn ich auch hin und wieder noch bessere // S. 70/ Nahrung fand, so war sie nur das Ueberbleibsel von andern, die mir aus Mitleid von ihrem wenigen etwas weniges boten, aber nie reichte es hin, mich zu sättigen. Selbst Pferdefleisch konnte ich nicht hinlänglich bekommen, es waren immer der Bewerber um das elende Gericht zu viele. Unter diesen Umständen war der Heißhunger sehr natürlich, mit dem ich über das angebotene Schweinsfleisch herfiel. — Die Witterung war während des Zuges von Smolensk bis zur Beresina sehr veränderlich. Als wir jene Stadt verließen, war die Kälte noch grimmig aber schon Abends wurde die Luft milder, und es trat ein Thauwetter ein, das einige Tage währte, und von heftigen Stürmen begleitet war. So bald aber die Luft wieder ruhiger ward, und der Himmel sich aufklärte, so kehrte die Kälte zurück, wenn gleich in geringerem Grade, als bey Smolensk. Nach 24. Stunden minderte sich die Kälte abermals, und blieb erträglich bis zu unserer Ankunft an der Beresina.

Die Wege waren meistens sehr schlecht, und vom Fußgänger mühsam zu begehen. Die vielen Defileen erschöpften die Kräfte der Pferde ebenso sehr, als der glatte Boden, und das Glatteis während des Thauwetters. Im Ganzen bot das Land weniger Schwierigkeiten dar, als zwischen Dorogobusz und Smolensk. In einigen Städtchen waren Einwohner zurükgeblieben. Die Mehrzahl bestand aus Juden, die aus dem Verkauf elender Nahrungsmittel, // S. 71// und dem Ankauf von Effecten aller Art bedeutenden Vortheil zogen, während die christlichen Bewohner, weniger furchtsam, durch Plünderung oder Ermordung Einzelner, an dem unglücklichen Feinde sich zu rächen suchten.

Zehentes Capitel.

Bey dem Dörfchen Sembin, 15. Werste oberhalb Borisow, waren auf Befehl des Kaisers 2. Brücken zum Uebergang über die Beresina geschlagen worden, nachdem vorher diese Stelle dem Admiral Tchitsgakoff mit vielem Blute und großem Verlust abgekämpft worden war. Die eine der Brücken war für das Fuhrwerk, die andere für die Reiter und Fußgänger bestimmt. Schon am 27. Nov[em]b[e]r konnten beide Brücken passirt werden, aber das Verhängniß wollte, daß nur wenige den leichten und gefahrlosen Uebergang benüzten: Gleichwohl hatte sich am nämlichen Tage die ganze Masse der Armee, durch den nachrückenden Feind gedrängt, dem Flusse genähert. Am 28. Morgens um 1. Uhr begann endlich der Uebergang, indem dichte Massen

von Menschen und Fuhrwerk gegen die Brücken hinwogten. Die für das Fuhrwerk bestimmte Brücke war bald gebrochen, und obgleich mehreremal wiederhergestellt, schon um die MittagsZeit gänzlich unbrauchbar geworden. Niemand fand sich mehr, der sie // S. 72// aufs Neue reparirt hätte, jeder dachte nur an seine eigene Rettung. Unabsehbare Massen von Menschen, Pferden und Wagen wälzten sich der andern Brücke zu. Fürchterlich war das Gedränge, unzählige Menschen und Pferde wurden erdrückt, zertreten. Die Brücke war so schmal, daß nur 2.—3. Menschen nebeneinander sie begehen konnten. Schnell eilte, wer sie einmal erreicht hatte, vorwärts, aber nicht schnell genug für die Nachkommenden. Am Eingänge der Brücke suchten Gendarmen und Officiere Ordnung zu halten, aber fruchtlos war ihre Mühe gegen den immer stärker werdenden Andrang. Manche, die auf der Brücke weniger eilten, wurden von den Nachrückenden in das Wasser gestürzt. Viele wateten in den Fluß, um von hier aus die Brücke zu ersteigen, manche wurden durch Bajonetstiche und Säbelhiebe wieder zurückgestoßen, und manche büßten neue Versuche mit dem Leben. Gegen 1. Uhr Nachmittags verbreitete sich in der Menschenmasse der Ruf, die Kosacken kommen! Die lezten wurden ihre Beute, bis zur Brücke vorzudringen, lag ausser dem Gebiete menschlicher Möglichkeit. Aber dieser Ruf wirkte electrisch auf die ganze Menge, jeder suchte sich vorzudrängen, Massen von Reitern schloßen sich zusammen, und bahnten sich einen Weg über die Körper ihrer Kameraden. Am Eingang der Brücke hatte alle Ordnung aufgehört. Die Officiere und Gendarmen hatten sich vor der wüthenden Menge theils geflüchtet, theils hatten sie in ihrem Aufträge das Leben verloren. // S. 73// Viele Reiter suchten das jenseitige Ufer durch Schwimmen zu gewinnen, wenigen gelang es, die meisten giengen zu Grunde. Noch gräßlicher wurde der Kampf um den Uebergang, als die russischen Kanonen anfiengen, die Masse zu erreichen, und Tod und Verderben in derselben verbreiteten. Nun war es ein Kampf des Einzelnen gegen den Einzelnen, der Kräftigere trat den Schwächeren nieder, und blieb Sieger, bis er selbst einem noch Kräftigeren unterlag. Diese furchtbare Scene endigte sich erst mit dem Einbruch der Nacht, als eine Abtheilung französischer Pioniere auf dem jenseitigen Ufer einen Theil der Brücke abgebrochen hatte, und die zurückgebliebenen Menschen, Pferde, Artillerie, Wägen aller Art den indessen herangekommenen Russen zur Beute überließen.

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