На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера - читать онлайн книгу. Автор: Генрих Август Фон Фосслер cтр.№ 74

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Cтраница 74
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Man sagt zwar, die Moralität sinke bey uns immer tiefer, allein sie muß noch weit herunter kommen, bis sie auf der nemlichen Stufe, wie wenigstens in den gröseren Städten Norddeutschlands, steht. Es empört, wenn man von Gassenjungen von 6—8. Jahren bey jedem Schritte angerufen wird, ob man nicht schöne Mamsells befehle. Ich glaube, wenn bey dem Pöbel die Sitten-Verderbniß so groß ist, daß sie bey dem Mittelstände nicht weniger groß seyn wird, denn ich habe nicht nur Militärs, sondern gut gekleidete Civilisten, denen es die Gassenbuben nicht ansehen konnten, ob sie fremd oder einheimisch sind, auf obige Art anrufen hören. Jedoch gilt dieses nicht alleine von Frankfurt, sondern von allen gröseren Städten Norddeutschlands mehr oder weniger, hauptsächlich aber von solchen, welche lange Zeit fremde Soldaten, besonders Franzosen, beherbergten.

In Frankfurt stunden die Einwohner nicht an, uns einen sehr ungünstigen Begriff von Pohlen, das wir nun zu einem Theile durchziehen sollten, zu geben, oder vielmehr geben zu wollen, denn wir zweifelten keinen Augenblick an dem Vorzug der pohlnischen vor den brandenburgischen Quartieren. Nachher erkannten wir, daß die Preussen Recht — und wir die traurigen Schilderungen nicht ganz ihrem Unmuthe gegen uns zuzuschreiben hatten. // S. 14//

Drittes Capitel.

Am 16.ten April hielt der neue Brigade General Ornano Musterung, bezeugte seine Zufriedenheit mit unserer Haltung, und wünschte uns glückliche Reise nach Pohlen. Nach dem Uebergang über die Oder schlugen wir den Weg nach Posen ein. Noch an demselben Tage kamen wir am Schlachtfelde von Kunersdorf vorbey, hatten aber nicht Gelegenheit, dasselbe näher zu besichtigen. Von Frankfurt an wird die Gegend immer trauriger, öder, das Land sandiger, doch waren wir noch 2 l/2.Tage lang auf deutschem Grund und Boden, aber am 18.ten April Nachmittags rückten wir in das Großherzogthum Warschau ein. Das30 erste pohlnische Ort Tszermeissel, ein Städtchen — glaubten wir — müsse eines der schlechtesten in Pohlen seyn, aber das nächste war noch schlechter, das dritte noch armseliger und so fort. Zwar hatte ich an diesem Tage noch das Glück, meine Herberge in einem Kloster (Paradies — Benedictiner) zu finden. Das Aeussere und Innere zeugte von Reichthum, aber das dazu gehörige Dorf und seine Bewohner waren höchst elend. Ein kleiner Bach macht hier die Grenze zwischen Pohlen und Schlesien, und auch die schlesische Seite ist mit einem Dörfchen bebaut, das zwar keinem unserer Dörfer gleicht, nichts desto weniger aber mit dem pohlnischen einen grellen Contrast bildet, wahrscheinlich darum, weil hier die Pfaffen nichts zu Wirtschaften haben. // S. 15//

//S. 15// Die Pfaffen sind sich wohl überall gleich und ähnlich, sagte ich mir, aber ich ärgerte mich doch. Ich wurde gut bewirthet, und mit pohlnischem Wein, den ich als solchen gut finden mußte, getränkt, meine Soldaten assen bey den Bayern Sauerkraut und Kartoffeln, und tranken Fusel , schlechter als in andern pohlnischen Orten ohne Kloster. Die deutsche Sprache kennt hier noch der gröste Theil der Einwohner. Tags darauf gieng der Zug durch grose Ebenen, die durch die dünne gesäeten Dörfer im Style unserer Schweineställe gebaut, ein noch traurigeres Aussehen bekommen. Als ich nach einem Marsch von 8. Stunden mit 2. Zügen nach dem Dorfe Löwin detaschirt wurde, befragte ich den Wegweiser um die Entfernung bis dahin. Der StockPohle verstand mich so wenig, als ich ihn. Traurig folgte ich seiner Führung, und fand in diesem Orte nicht Einen Menschen, der deutsch verstanden hatte [sic]. Noch nie hatte ich eine solche Unbehaglichkeit gefühlt, niemand verstand mich, mich eckelte die Unreinlichkeit der Menschen nicht weniger an, als die ihrer Wohnungen; das unfreundliche Wetter nöthigte mich, in dem Stalle, den man in Pohlen Haus und Stube zu nennen beliebt, zu bleiben. Wenn ich meine Wohnung zu Knauthayn mit dieser verglich, so hätte ich über meine Lage und die Menschen weinen mögen. Doch tröstete ich mich wieder, wenn ich bedachte, daß ich nicht allein in dieser Lage sey, sondern daß mein ganzes Regiment ungefähr ebenso beherbergt und vom Schmutz gequält sey, wie ich. Es ist wohl sehr menschlich, daß man seine eigenen Widerwärtigkeiten //S. 16// weniger tief fühlt, oder vielmehr sich darüber tröstet, wenn man weiß, daß seine Nebenmenschen in der gleichen Lage sind. Dieser und die 2. folgenden Tage, wo ich eben solche Quartiere hatte, waren mir höchst peinlich, und ich glaubte überzeugt zu seyn, daß es mir nie schlimmer ergehen könne. Wie glücklich wäre ich, wenn dieses wirklich so gewesen wäre! An den folgenden Tagen war die Einförmigkeit unseres Weges nicht geeignet, mich in eine bessere Stimmung zu versetzen, aber ich gewöhnte mich nach und nach an die neue Lage, und fand sie bald erträglicher, da ich inzwischen auch die notwendigsten pohlnischen Wörter gelernt hatte. Am 22. April Nachmittags kamen wir in der Gegend von Posen an, und wurden zu meiner großen Freude in deutsche Colonisten-Dörfer verlegt, um da Rasttag zu halten. Die bessere Bauart dieser Dörfer und die Reinlichkeit der Bewohner setzte mich in Entzücken, ich glaubte mich nach Deutschland versetzt. Mein erstes war hier, die Einwohner zu fragen, wie lange sie schon hier seyen, und wie es ihnen hier gefalle. Die Anhänglichkeit dieser guten Leute an ihr ehemaliges Vaterland, das sie selbst nie gesehen hatten, von dem sie aber mit einer Begeisterung und Umständlichkeit sprachen, als ob sie lange Jahre dort gelebt hätten, freute mich; aber die Versicherung, daß sie von den alten Bewohnern sehr gehaßt und wohl auch mißhandelt werden, und daher ihren Eltern den Tausch des Vaterlandes nicht danken können, betrübte mich. Nur wenige von ihnen reden die Landessprache, ob // S. 17// sie gleich hier gebohren sind, und vielleicht mag auch dieses dazu beytragen, daß sie von den alten Pohlen Haß und Druck zu dulden haben. — Am Rasttage hatte ich Zeit, mein Tagebuch zu ergänzen, und den Marsch in Pohlen noch einmal zu überdenken, wobey mir aber die Versicherung mehrerer gebildeter Pohlen, daß jenseits Posen das Land noch schlechter sey, schwer auf's Herz fiel. Ich hatte eigentlich erst 3. ganz schlechte Quartiere gehabt, wo ich mit meinen Hauswirthen und ihrer ganzen ehrbaren Familie von Schweinen, Ziegen, Kälbern, Gänsen, Enten und Hühnern die Nacht in Einer Stube zubrachte. In Chelmo bey Pinne war ich in dem Schlosse des Grafen Stanicki, der zwar nicht selbst gegenwärtig war, dessen junge Söhne aber uns von ihrer vielseitigen Bildung einen vortheilhaften Schluß auf die intellectuelle Bildung des Vaters machen Hessen; wie es mit seiner moralischen Bildung stand, weiß ich nicht, sein Dorf und seine Bauern waren aber höchst elend. — Den folgenden Tag wurde ich auf Veranlassung meines Schwadrons-Chefs Abends zum Grafen Prujimski eingeladen. Der Graf war wenig gebildet und albern, aber adelsstolz, die Gräfin eine steife Matrone, und wo möglich noch stolzer. Die Tochter schön und sehr gut gewachsen, talentvoll, aber sehr eitel, eine Nichte von nicht unebener Gestalt, junge Wittwe, schien kein Behagen am Wittwenstande zu finden, und mochte es wohl leiden, daß ein beym Grafen einquartierter kräftiger Lieutenant sich gerne mit ihr unterhielt. //S. 18// Der alte Graf tractirte vornehm, aber sparsam; seltene Speisen, aber nicht für die Hälfte der Gäste hinreichend, ein Getränke, mehr mit Essig als Bier vergleichbar; zum Nachtisch einen Fingerhut voll sauren Ungarweins. Vor dem Nachtessen zeigte die junge Gräfin ihr Talent in der Musik, das wirklich Lob verdiente, aber durch einen Kosackentanz, den sie mit ihrer kleinen Schwester auffuhrte, entzückte sie alle; wir waren nur Auge, und nichts hätte uns ungelegener kommen können, als die Nachricht, daß im Speisesaal aufgetragen sey. Trotz des magern Nachtessens war ich sehr vergnügt, bis meine Illusion beym Nachhausegehen durch den Anblick der erbärmlichen Menschenställe schwand.

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